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Kommentar der Vorsitzenden des Jungen BLLV

Genderverbot - eine verpasste Möglichkeit der Inklusion?

Kein Gendern an bayerischen Behörden, Schulen und Hochschulen - diese Nachricht hat in der vergangenen Woche für großen Aufruhr gesorgt. Ein Verbot sendet ein falsches Signal und schließt Teile der Gesellschaft aus, darüber sind wir uns im Vorstand des Jungen BLLV einig. Um insbesondere Aspekte rund um das Thema Inklusion zu betrachten, haben wir auch Stimmen von Schüler*innen zum "Genderverbot" eingefangen.

Als junge Lehrkräfte ist es unsere Aufgabe, unsere Schüler*innen und nachfolgende Generationen fit für die Zukunft zu machen. Welche Bedeutung spielt eine gendersensible Sprache für die moderne Gesellschaft? Und welches Signal sendet eine Einschränkung gendersensibler Sprache an die Schüler*innen?

Gendersensibilität als Teil des gesellschaftlichen Wandels

Es ist unsere Verantwortung als Lehrkräfte unsere Schüler*innen auf die wandelnde Welt von Morgen vorzubereiten. Dazu gehört auch der sprachliche Wandel, der sich nicht aufhalten lässt. Veränderungen von Sprache, Möglichkeiten von Sprache, Wirkung von Sprache… all diese Themen können wertvolle Lerngelegenheiten bieten. Mit jeder neuen Generation und jedem gesellschaftlichen Wandel ändern sich auch linguistische Strukturen. (Man denke an den Aufruhr bei Verwendung der ersten Anglizismen, die jetzt nicht mehr wegzudenken sind.) Diese gilt es nicht zu verbieten oder einzuschränken. Vielmehr sollte es unsere Aufgabe sein, dafür zu sensibilisieren und unseren Schüler*innen die verschiedenen Möglichkeiten aufzuzeigen. 

Dazu zählen aber ALLE Möglichkeiten und nicht nur ein Teil davon. Diese wichtige Aufgabe ist fest in unserem bayerischen Erziehungs- und Unterrichtsgesetz verankert, denn “Die Schulen haben insbesondere die Aufgabe, [...] Fähigkeiten zu entwickeln, zu selbständigem Urteil und eigenverantwortlichem Handeln zu befähigen, zu verantwortlichem Gebrauch der Freiheit, zu Toleranz, friedlicher Gesinnung und Achtung vor anderen Menschen zu erziehen [...]” (BayEUG Art. 2)

Welche Formulierungen betrifft das "Genderverbot"?

Die Formen, die durch das Verbot betroffen sind, sind das Einfügen von Sonderzeichen: das Gender-Sternchen (der*die Lehrer*in), die Gender-Gap (Lehrer_innen), der Doppelpunkt (ein:e Lehrer:in) oder der Schrägstrich (Lehrer/in) sowie Binnenzeichen (LehrerInnen). Die im Rahmen der Richtlinien verbleibenden Möglichkeiten für geschlechtersensible Sprache sind folgende:

  • Doppelnennung (Schüler und Schülerinnen)
  • Neutrale Formen (Kinder, Lernende, Lehrkraft)
  • Umschreibungen (Personen, die gemeinsam lernen)
  • Passivformulierungen (Das Arbeitsblatt muss bearbeitet werden. Statt: Der Schüler muss das Arbeitsblatt bearbeiten.)

(vgl. www.uni-kassel.de/...)

Chancen gendersensibler Sprache

Ein Gender-Sternchen auf einem Arbeitsblatt birgt nicht sofort eine Gefahr für das Verständnis des Textes oder den Lesefluss. Es birgt die Chance auf Austausch über Sprache. Es können wertvolle Lerngelegenheiten, wie rege Diskussionen über Gerechtigkeit, Geschlechter, Sprache und die Chance von Sprache, einen Beitrag zu Inklusion und Gerechtigkeit zu leisten, entstehen.

Des Weiteren haben diverse Studien belegt, dass die (ausdrücklich erlaubte) Verwendung des generischen Maskulinums eben nicht neutral ist. So wurde in einer Studie belegt, dass bei Verwendung gendergerechter Sprache, Kinder typische Berufe des anderen Geschlechts als erreichbarer einschätzen und sich selbst eher zutrauen, diese zu ergreifen. Es ist eben nicht klar, wann Maskulinum und wann generisches Maskulinum gemeint ist. (bspw. der Freien Universität Berlin durch Dr. Dries Vervecken und Prof. Dr. Bettina Hannover aus 2015; www.fu-berlin.de/...)

Sprache erzeugt Bilder. Diese sollten die Wirklichkeit abbilden. Sprache schafft also eine Wirklichkeit. 

Inklusionsapekte aus Sicht der Schüler*innen

Die Macht der Sprache spüren auch unser Schüler*innen sehr deutlich. Gerade diejenigen, die sich nicht innerhalb unserer gesellschaftlich vorgegebenen Gender-Kategorien identifizieren können. Auch diese Kinder gilt es zu inkludieren. (Egal, wie das passiert.) Die Gleichbehandlung aller Geschlechter ist sogar in unserem Grundgesetz verankert. Sollte es da nicht selbstverständlich sein, auch wirklich ALLE Geschlechter zu inkludieren? Für unsere Schüler*innen scheint das selbstverständlich zu sein 

  • “Ich finde es wichtig, dass sich andere Schüler, welche vielleicht trans sind, sich eingeschlossen fühlen” (Jgst. 10, sie/ihr, cis weiblich)

Das Ziel geschlechtergerechter Sprache ist es, alle Geschlechter auf respektvolle Art und Weise anzusprechen und sichtbar zu machen. Dabei geht sie über die schlichte Benennung von Männern und Frauen hinaus und spricht Trans*- und Inter- sowie nicht-binär verortete Personen an. Auf diese Weise leistet sie einen Beitrag zum Abbau von Diskriminierungen. Die Befürchtungen der Kinder, dass ein Ausschluss einiger Menschen durch die sprachliche Vernachlässigung zu Problemen führt, sollten wir nicht überhören:

  • “Es ist ein Schritt zurück in der Aufklärung und dadurch tritt mehr Unwissen auf, das wahrscheinlich in Mobbing übergeht” (Jgst. 10, er/ihm, männlich)
  • “Unsere Gesellschaft ist eh schon voller Hass und mit dem Verbot wird nur noch mehr Öl ins Feuer geschüttet” (Jgst. 10, Pronomen: alle, Demi-Boy) 

Eine Sprache, die andere ausschließt, können wir uns als Gesellschaft nicht erlauben.

Positionierung des Jungen BLLV

Wir als Junger BLLV positionieren uns klar gegen das “Genderverbot” an bayerischen Schulen. Wir stehen für eine freie Gestaltung der Sprache: kein Zwang, in keine Richtung! Das spiegelt auch die Meinung einiger befragten Schüler*innen wieder:

  • “Ich finde es unnötig, sowas zu verbieten, denn sowas kann doch jeder für sich entscheiden. Man sollte es weder verbieten noch jemanden dazu zwingen.” (Jgst. V2, Er/ihn, Männlich)
  • “Es macht keinen Sinn es zu verbieten, da es niemanden einschränkt… oder schadet” (Jgst. 10, Er/ihm, männlich)
  • “Das Verbot ist genauso unnötig wie die Pflicht dazu” (Jgst. 10, Pronomen: alle, Demi-Boy). 

Ein Verbot schließt aktiv aus, während es ohne Verbot den Raum für freie Gestaltung von Sprache und die Möglichkeit zur sprachlichen Inklusion aller gibt. Gendersensible Sprache ist ein Instrument zur Verwirklichung von Chancengleichheit und Gleichstellung. Dieses Instrument sollte genutzt werden dürfen. Wir wollen und brauchen die Freiheit in der sprachlichen Gestaltung unserer dienstlichen Aufgaben. 

Ein Kommentar von Franziska Gramsamer und Carina Schmidt-Bock, stv. Vorsitzende des Jungen BLLV

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