Demokratie an der Schule leben und lehren

Die bayerischen Landtagswahlen 2023 stehen vor der Tür - das haben wir uns vom Jungen BLLV zum Anlass genommen, einen Blick darauf zu werfen, wie Demokratie an der Schule gelebt und gelehrt werden kann. Die Kampagne läuft unter dem Namen #demokratiedienstag von August bis Oktober 2023 auf unserem Instagram-Kanal @jungerbllv. Die wichtigsten Inhalte und Tipps zu unserem Themenschwerpunkt Demokratiepädagogik haben wir hier für dich zusammengestellt:

Was ist Demokratiepägagogik?

„Der Begriff „Demokratiepädagogik“ bezeichnet Initiativen, Konzepte, Programme und Aktivitäten in Praxis und Wissenschaft, die das Ziel verfolgen, die Erziehung zur Demokratie zu fördern.“ 

(Quelle: Deutsche Gesellschaft für Demokratiepädagogik e.V., degede.de)


„Schule muss ein Ort sein, an dem demokratische und menschenrechtliche Werte und Normen gelebt, vorgelebt und gelernt werden.“

Auszug aus dem Beschluss der Kultusministerkonferenz 2018


Demokratiepädagogik in den Lehrplänen

Schulart- und fächerübergreifende Bildungs- und Erziehungsziele sowie Alltagskompetenz und Lebensökonomie

Politische Bildung basiert auf der Kenntnis und Akzeptanz von Demokratie und freiheitlich-demokratischer Grundordnung […]. Die Schüler*innen achten und schätzen den Wert der Freiheit und der Grundrechte. Auf der Grundlage einer altersgemäßen Fähigkeit und Bereitschaft zur Teilhabe am politischen Prozess tragen sie zu einer positiven […] Entwicklung der Gesellschaft und zum Erhalt des Friedens bei. Sie nehmen aktuelle Herausforderungen an, etwa im Zusammenhang mit der Entwicklung eines europäischen Zusammengehörigkeitsgefühls oder mit zentralen gesellschaftlichen und politischen Veränderungen von der kommunalen und Landesebene bis hin zu prägenden Tendenzen der Globalisierung. (Quelle: lehrplanplus.bayern.de)

Bild: Kompetenzstrukturmodell, Fach HSU

„Die Schülerinnen und Schüler setzen sich mit Formen, Merkmalen und Regeln demokratischen Zusammenlebens in Gemeinschaften (z. B. Familie, Schule, Gemeinde) sowie mit den Rechten und Aufgaben ihrer Mitglieder auseinander. […]“ (Quelle: lehrplanplus.bayern.de)

Bild: Kompetenzstrukturmodell, Fach: GPG

„In der Rolle als mündige und verantwortungsvoll handelnde Bürgerinnen und Bürger einer Demokratie setzen sie sich mit Entwicklungen, Ordnungen, Kulturen, Räumen, Wertvorstellungen, Konflikten und Herausforderungen auseinander.“

„[…] hilft den Schülerinnen und Schülern ein politisch-demokratisches Bewusstsein zu entwickeln, das sie dazu befähigt, ihre Aufgaben als mündige Bürgerinnen und Bürger in der Demokratie wahrzunehmen.“

„In der Rolle als mündige und verantwortungsvoll handelnde Bürgerinnen und Bürger einer Demokratie setzen sich die Schülerinnen und Schüler im Lernbereich Politik und Gesellschaft mit politischen Ordnungssystemen, Kulturen, Wertvorstellungen, Religionen, politischen und gesellschaftlichen Schlüsselproblemen und den damit zusammenhängenden Interessen und Konflikten auseinander.“

(Quelle: lehrplanplus.bayern.de)

Bild: Kompetenzstrukturmodell, Fach: Politik und Gesellschaft

„Ziel des Unterrichts im Fach Politik und Gesellschaft ist die Demokratiefähigkeit junger Menschen.“ 

„Demokratiekompetenz bedeutet, Politik und Gesellschaft zu verstehen sowie bereit und in der Lage zu sein, verantwortungsbewusst als Bürgerin bzw. Bürger in der Demokratie mitzuwirken. In enger Verbindung dazu und zu den Gegenstandsbereichen des Faches stehen die Teilkompetenzen Urteils-, Partizipations- und Wertekompetenz, die sich gegenseitig bedingen und beeinflussen.“

(Quelle: lehrplanplus.bayern.de)

Bild: Kompetenzstrukturmodell, Fach: Politik und Gesellschaft

„Die Schülerinnen und Schüler entwickeln auf der Grundlage des im Grundgesetz verankerten Menschenbilds systematisch Demokratiekompetenz, die sie dazu befähigt, sich in der modernen Gesellschaft zu orientieren, politische Urteile zu reflektieren sowie sich eigenständig zu informieren, um politische Entscheidungen zu treffen und Verantwortung in Staat und Gesellschaft zu übernehmen.“

„Diese Werteorientierung setzt ethische Maßstäbe für die eigene Lebensführung, gründet sich auf Demokratie, Frieden und Freiheit als fundamentale Prinzipien, insbesondere auf die Achtung der Menschenwürde sowie der Menschen- und Bürgerrechte, und schließt die Ablehnung extremistischer Grundhaltungen ein.“

Quelle: lehrplanplus.bayern.de

Bild: Kompetenzstrukturmodell, Fach: Leben in der Gesellschaft

„Die Schülerinnen und Schüler setzen sich mit Formen, Merkmalen und Regeln demokratischen Zusammenlebens in der Gesellschaft sowie mit den Aufgaben gewählter Vertreter auseinander. Sie nehmen Möglichkeiten der Mitbestimmung im schulischen Rahmen wahr (z. B. Klassensprecherwahl, Schülermitverantwortung) und bereiten sich so auf die Wahrnehmung von Mitbestimmungsrechten als Erwachsener vor. Politisches Wissen unterstützt die jungen Erwachsenen, bewusst und verantwortungsvoll mit ihrem Wahlrecht als Bürgerinnen und Bürger umzugehen.“

Quelle: lehrplanplus.bayern.de


Klassenrat, Schulsprecher*innenversammlung und Schulversammlung

Klassenrat, Klassensprecher*innenwahl sowie die Schulversammlung sind wichtige Bausteine einer demokratischen Kultur an der Schule.

Allen Grundschullehrkräften empfehlen wir die BLLV-Broschüre "Demokratie lernen von klein an" . Die Broschüre (verfügbar als Download und Druckexemplar) sowie die darin enthaltenen Videoclips, die sich für den Einsatz an der Schule eignen, findest du auf der Seite "Aus der Praxis".

Der Klassenrat ist eine wöchentliche Gesprächsrunde mit allen Kindern einer Klasse. Dort können die Kinder alle Konflikte, Projektpläne, Wünsche und Probleme einbringen, die sie beschäftigen. Es gibt gemeinsam erarbeitete Regeln und die Leitung und Organisation des Klassenrats sollten nach Möglichkeit von den Kindern selbst übernommen werden.

ZIELE

  • Offen und angstfrei eigene Themen und Interessen einbringen.
  • Lernen, Konflikte/Wünsche aufzuschieben und zu einem späteren Zeitpunkt einzubringen.
  • Gesprächsregeln kennen und einhalten.
  • Eigene und fremde Ansichten vergleichen und fair bewerten.
  • Lösungen diskutieren mit Fokus auf Toleranz und Ausgleich.
  • Kennen lernen von „basisdemokratischen“ Abläufen.

METHODENANREGUNGEN

Ausgewählte Rituale

  • Es gibt eine wöchentlich feste Gesprächszeit.
  • Man hält die Regeln ein, die gemeinsam entwickelt wurden.
  • Ämter werden gewechselt.

Ausgewählte Regeln

  • Themen werden sofort beim Auftreten auf einem Plakat notiert.
  • Alle Kinder haben die gleichen Rechte und Pflichten.
  • Bei Konflikten sprechen sich die Kinder persönlich an.
  • Es gibt Ämter für die Durchführung des Klassenrats.

Ausgewählte Ämter

  • Leitung: Themen aufrufen und Meldungen notieren.
  • Zeitwächter: Zeiteinteilung nach Themenzahl vornehmen.
  • Protokollant: Ergebnisse und Beschlüsse schriftlich festhalten.
  • Freundlichkeitswächter: Feedback für Umgang geben.

Die Klassensprecher*innenversammlung ist die Gemeinschaft aller Klassensprecher*innen der Schule. Er tagt unter der Leitung der Schulleitung immer dann, wenn klassenübergreifende Themen von Klassensprecher*innen in die Schulgemeinschaft eingebracht werden wollen.

ZIELE

  • Diskussionen aus den Versammlungen berichten und ordnen.
  • Konsens herstellen über gemeinsame Ziele.
  • Feedback über den Ablauf der Klassensprecher*innenversammlung in die Klassen geben.
  • Eigene und fremde Ansichten vergleichen und fair bewerten.
  • Lösungen diskutieren mit Fokus auf Toleranz und Ausgleich.
  • Klassensprecher*innenversammlung vorbereiten und nach Möglichkeit durchführen.

METHODENANREGUNGEN

Ausgewählte Rituale

  • Die Klassensprecher*innenversammlung tagt ritualisiert einmal im Monat.
  • Die Leitung übernehmen zwei Klassensprecher*innen in Kooperation mit der Schulleitung/SMV.
  • Zu Beginn der Klassensprecher*innenversammlung werden die Themen aus den Klassenräten kurz berichtet.

Vorbereitung der Klassensprecher*innenversammlung

  • Der Klassensprecher*innenrat/SMV bestimmt Themen für die Klassensprecher*innenversammlung.
  • Der Klassensprecher*innenrat/SMV bereitet in Kooperation mit der Schulleitung den Ablauf der Klassensprecher*innenversammlung vor.
  • Die Mitglieder der Klassensprecher*innenversammlung berichten in ihren Klassen über die Diskussion im Klassensprecher*innenrat und sammeln Ideen und Anregungen aus ihren Klassenräten für die Inhalte und den Ablauf der nächsten Klassensprecher*innenversammlung.
  • Der Klassensprecher*innenrat formuliert mit Hilfe der Schulleitung zielgerichtete Anträge, Wünsche und Projekte, die auf der Schulversammlung entschieden werden können.

Zur Schulversammlung treffen sich alle Kinder der Schule, um Projekte und Konflikte zu besprechen, sowie Feiern und Schüler*innenehrungen zu gestalten. Schulversammlungen werden in den Klassenräten und im Klassensprecher*innenrat vorbereitet. Es können Beschlüsse und Empfehlungen gefasst und Anträge gestellt werden. Eine Schulversammlung kann durch ritualisierte Abläufe von geeigneten Kindern/Kindergruppen gesteuert oder mit Hilfe der Schulleitung strukturiert werden. Die Einbeziehung des Elternbeirates/der Eltern ist eine Option.

ZIELE

  • Die Kenntnis bei den Kindern schaffen, dass es neben der Klasse eine größere Gemeinschaft mit Aufgaben und Verantwortungsbereichen gibt.
  • Übergreifende Themen mit allen Kindern besprechen.
  • Meinungen und Ansichten der Schüler*innen zu bestimmten Themen feststellen und nach Möglichkeit berücksichtigen.
  • Diskurserfahrungen in größeren Gruppen ermöglichen und die Möglichkeiten kennen lernen über Anträge und Beschlüsse Einfluss nehmen zu können.

METHODENANREGUNGEN

Ausgewählte Rituale

  • Zu Beginn einer Schulversammlung werden Beschlüsse und Folgen der vorhergehenden Schulversammlung berichtet.
  • Das aktuelle Projekt der Schulversammlung wird vorgestellt und ein konkreter Auftrag an die Klassenräte und an den Klassensprecher*innenrat zur weiteren Diskussion erteilt. (z.B. in Form von Pro- und Kontradiskussionen).

Durchführung der Schulversammlung

  • Feste Abläufe und Rituale erleichtern es den Kindern/den Klassen sich konstruktiv einzubringen.
  • Eine intensive Vorbereitung im Klassensprecher*innenrat und eine Einübung der Leitungsaktivitäten durch Kinder (unterstützt von der Schulleitung) erleichtert die Durchführung.

Klassensprecher*innenwahl

Im Zuge der Durchführung der Klassensprecher*innenwahl können wir Kinder und Jugendliche demokratische Prinzipien näher bringen und sie bei der Entwicklung einer demokratischen Haltung stärken.

So könnte eine mögliche Sequenz in der Grundschule aussehen:

  • Wir dürfen wählen (Ideen für den Einstieg)
  • Welche Aufgaben haben Klassensprecher*innen?
  • Wie sollten Klassensprecher*innen sein? (Beispiel auf ideenreise-blog.de)
  • Wie wählt man Klassensprecher*innen? (Ablauf einer demokratischen Wahl)
    • Kandidat*innenliste erstellen
    • Vorstellung der Kandidat*innen
    • Wahl
  • Wie werde ich Klassensprecher*in?
    • Wahlwerbung besprechen
    • Wahlplakate gestalten lassen
  • Wahl der Klassensprecher*innen
    • Wahlzettel erstellen
    • Wahlkabine und Wahlurne vorbereiten
    • Wahlhelfer*innen bestimmen
    • Wählen
    • Ergebnis bekannt geben
    • Gratulation der Wahlsieger*in (mit Foto)

Partizipation im Klassenzimmer

An der Schule und im Klassenzimmer können Schüler*innen ihre eigenen Einflussmöglichkeiten auf demokratische Gestaltungsprozesse erleben. So lernen sie, dass Demokratie mehr ist, als als Erwachsener alle paar Jahre wählen zu gehen.

Diese Beispiele für Handlungsfelder im Klassenzimmer können dir als Anregung dienen: Klassenraumgestaltung, Klassenzeitung, Gesprächskreise, Klassenregeln, Arbeitsformen, Stoff- und Themenauswahl, Klassendienst, Gesprächskreise, Lernen an einem anderen Ort (aus der BLLV-Broschüre "Schule für Demokratie").

Eine konkrete Idee ist die Auswahl eines Ausflugsziels für einen Klassenausflug. Dazu soll der finanzielle Rahmen von der Lehrkraft als Ausgangspunkt abgesteckt werden. Im Anschluss können die Schüler*innen die Recherche über mögliche Ausflugsziele beginnen. Sie entwerfen Wahlplakate und präsentieren diese ihren Mitschüler*innen. Zum Abschluss wird eine Wahl durchgeführt und das Ausflugsziel mit den meisten Stimmen als Gewinner verkündet.


Dein Rolle als Lehrer*in im politischen Wahlkampf

Als bayerische*r Beamte*r bist du gemäß bayerischer Verfassung der Neutralität verpflichtet. Das bedeutet, dass du deinen Schüler*innen keine Meinung - mit welchen Mitteln auch immer - aufzwingen darfst ("Überwältigungsverbot"). Solltest du deine Meinung teilen wollen, muss dies als solche gut erkennbar sein. Wir empfehlen, äußerst zurückhaltend damit umzugehen. Außerdem ist auf dem gesamten Gelände der Schule sowie bei Schulveranstaltungen Parteiwerbung (Flyer, Werbeartikel, Plakate...) verboten (BayEUG-84).

Gemäß dem Beutelsbacher Konsens darfst du unterschiedliche Standpunkte nicht vernachlässigen, keine Optionen unterschlagen oder Alternativen unerörtert lassen. Was in der Wissenschaft kontrovers ist, muss auch im Unterricht kontrovers erscheinen. Es sollte dein Ziel sein, deine Schüler*innen dazu zu befähigen, sich eine eigene politische Meinung bilden zu können und ihnen ermöglichen, Wege und Mittel zu suchen, wie sie Einfluss auf die aktuelle politische Lage nehmen können.


Juniorwahlen

Die Juniorwahl ermöglichst es Schüler*innen durch eine realitätsgetreue Simulation selbst zu erleben, wie eine Wahl abläuft und erhalten authentische Einblicke. Dabei können wir als Lehrkräfte die Begeisterung bei Schüler*innen wecken, sich mit dem aktuellen politischen Geschehen auseinanderzusetzen, weil sie ihr Wissen für eine durchdachte Entscheidung bei der Wahl aktiv anwenden können.

Zum Konzeptvideo auf der Seite juniorwahl.de

Ziele der Juniorwahl

  • Das Interesse der Schüler*innen an Politik fördern
  • Begeisterung für politische Teilhabe und gesellschaftliches Engagement wecken
  • Meinungsbildungsprozesse zu fördern und das Urteilsvermögen stärken
  • Wertschätzung des demokratischen Systems vermitteln


Teilnahme am Projekt

„Die Juniorwahl findet seit 1999 zu Europawahlen, Bundestagswahlen und allen Landtagswahlen statt. […] Sie können Ihre Schule für eine aktuell ausgeschriebene Juniorwahl anmelden oder für eine kommende Wahl vormerken lassen. […]“ (Quelle: https://www.juniorwahl.de/anmelden.html)

Hinweis: In der Regel sind die ersten Plätze kostenfrei. Je kurzfristiger die Anmeldung, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Material kostenpflichtig ist. Dafür könnte man ggf. Sponsoren in der Umgebung suchen.

Die nächste Juniorwahl ist im Zuge der Europawahl 2024 möglich.