Die 10 Grundsätze des Refs

Das Referendariat bzw. der Vorbereitungsdienst – eine Zeit, die gleichzeitig spannend, herausfordernd und manchmal auch überwältigend sein kann. Es ist der entscheidende Abschnitt in der Lehrkräftebildung – endlich geht es in die Praxis! Diese Zeit ist geprägt von intensiven Prüfungen, neuen Erfahrungen, zahlreichen Begegnungen und einer tiefgreifenden Persönlichkeitsentwicklung. Doch das Referendariat bietet vor allem eine einzigartige Gelegenheit: die Chance, sich als zukünftige Lehrkraft zu formen und das eigene pädagogische Fundament zu festigen.

Wir, der Junge BLLV, stellen diese Phase der Lehrkräftebildung im Schuljahr 2024/25 in den Mittelpunkt unserer bildungspolitischen Arbeit: Was macht das Referendariat wirklich aus? Welche elementaren Bedürfnisse haben die Lehrkräfte von morgen, um erfolgreich und selbstbewusst in ihren Beruf starten zu können? Was sind die Prinzipien und Grundsätze, die das Referendariat prägen und die zukünftigen Lehrkräfte optimal auf ihre Rolle vorbereiten sollen – unabhängig von Schulart, Standort oder Regierungsbezirk?

Wir haben 10 Grundsätze entwickelt, die essenziell für ein erfolgreiches Referendariat bzw. erfolgreichen Vorbereitungsdienst sind. Diese Grundsätze stehen für:

  • Die Möglichkeit, in einem unterstützenden Umfeld zu lernen und sich weiterzuentwickeln.
  • Eine fundierte, praxisorientierte Ausbildung, die auf die Realität des Schulalltags vorbereitet.
  • Faire und transparente Prüfungen, die das individuelle Potenzial anerkennen.
  • Die Freiheit und Ermutigung, die eigene Lehrkräftepersönlichkeit zu entfalten und zu stärken.

Unsere Mission ist klar: Nur wenn das Referendariat auf soliden Grundsätzen basiert, können wir die besten Lehrkräfte für die Zukunft unserer Kinder und unserer Gesellschaft hervorbringen. Denn eine starke Bildung beginnt mit gut ausgebildeten und motivierten Lehrkräften.


Die 10 Grundsätze im Detail

In den kommenden Monaten setzen wir jeden einzelnen der 10 Grundsätze auf unseren Online-Kanälen für eine Woche in den Fokus. Hier findest du - laufend erweitert - mehr Infos und Hintergründe dazu.

Feedback gehört nach der Hattie-Studie zu den Top 10 Einflussfaktoren auf den schulischen Lernerfolg und spielt daher auch eine zentrale Rolle in der Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern. Doch leider mangelt es in den bayerischen Seminaren noch zu oft an der Feedbackkultur, die den Lehramtsstudierenden in der Uni nahegelegt und abgefragt wird. Gerade im Referendariat bildet Feedback aber eine unverzichtbare Grundlage für die persönliche Weiterentwicklung und eine positive Atmosphäre im Seminar. Entscheidende Punkte für ein wirkungsvolles und nachhaltiges Feedback sind dabei klare Kriterien, Transparenz, Wertschätzung, Regelmäßigkeit und Zielorientierung.

  • 1. Klare Kriterien sind essenziell, um angehenden Lehrkräften ein möglichst objektives Feedback zu geben. Indem festgelegt wird, nach welchen Maßstäben ihre Leistungen beurteilt werden, entsteht eine generelle Vergleichbarkeit zwischen den Seminaren und eine solide Basis für die eigene Weiterentwicklung. Dies ermöglicht den Referendar*innen, ihre Stärken und Schwächen zu erkennen und daran zu arbeiten.
  • 2. Transparenz im Feedbackprozess sorgt dafür, dass die Rückmeldungen verständlich und nachvollziehbar sind. Indem Feedback klar und offen vermittelt wird, wissen angehende Junglehrkräfte, was von ihnen erwartet wird und wie ihre Fortschritte eingeschätzt werden. Dies schafft eine vertrauensvollere Atmosphäre im Seminar und stärkt die Motivation zur Verbesserung.
  • 3. Wertschätzung ist dabei ein zentraler Faktor. Feedback sollte stets respektvoll und auf Augenhöhe gegeben werden, um das Engagement der Referendar*innen anzuerkennen und sie in ihrer Lern- und Entwicklungsmotivation zu unterstützen. Wertschätzendes Feedback trägt zu einem positiven Selbstbild und einer positiven Beziehung zum Lehrberuf bei.
  • 4. Regelmäßigkeit im Feedbackprozess hilft, kontinuierliche Verbesserungen zu erreichen und frühzeitig Anpassungen vorzunehmen. Durch regelmäßige Rückmeldungen können angehende Lehrkräfte auf stets neue pädagogisch-didaktische Herausforderungen reagieren und werden in ihrem Lernprozess kontinuierlich begleitet und gestärkt.
  • 5. Zielorientierung schließlich stellt sicher, dass Feedback nicht nur vergangenes Verhalten bewertet, sondern die Lehramtsanwärter*innen aktiv in Richtung ihrer nächsten Aufgaben und Unterrichtsvorbereitungen führt. Ein zielorientiertes Feedback legt konkrete und realistische nächste Schritte fest, sodass die Lehrkräfte ihre Kompetenzen nach und nach verbessern können.

Während des Vorbereitungsdienstes/Referendariats sind angehende Lehrer*innen Stress und Druck von vielen Seiten ausgesetzt. Sie sind dabei sich in ihre neue Rolle als Lehrkraft und Kolleg*in einzufinden und sollen doch vom ersten Moment an Bestleistungen erbringen. Egal ob diese Anforderungen von Erziehungsberechtigten, Kolleg*innen, der Schulleitung oder der Seminarleitung an die jungen Lehrkräfte herangetragen werden. Oftmals scheint es so, als ob man bereits Routine haben sollte, bevor die 2. Phase der Ausbildung beginnt. Denn Sicherheit und einem Freiraum für Experimente und die Findung der eigenen Lehrerpersönlichkeit ist es nicht immer gewährleistet. Auch Prüfungen müssen sicher sein, um den Raum für beste Leistungen zu schaffen. Dies schließt sowohl transparente Kriterien, als auch klare Prüfungstermine ein.

Welcher Arbeitgeber könnte es sich bei diesen Anforderungen leisten seine Angestellten oft monatelang ohne Gehalt auskommen zu lassen? Dies ist traurige Realität für viele junge Lehrkräfte. Auch wenn sich die Finanzämter bereit erklären Abschlagszahlungen zu leisten stellt dieser Umstand doch ein hohes Maß an Belastung und Stress für viele Lehramtsanwärter*innen dar.

 Aus all diesen Gründen sind gerade junge Lehrkräfte auf Sicherheit angewiesen! Sie brauchen finanzielle Sicherheit, um sich voll auf ihren Unterricht und die Ausbildung konzentrieren zu können. Sie brauchen berufliche Sicherheit, wenn es Schwierigkeiten mit Klassen oder Eltern gibt. Gerade wenn es schwierig wird sollten die Funktionsträger und der Dienstherr sich ihrer Fürsorgepflicht bewusst werden und für ihre jungen Kolleg*innen einstehen. Planungssicherheit ist unerlässlich, denn der nächste Ausbildungsausschnitt oder die Zeit nach dem Vorbereitungsdienst/Referendariat bietet seit Jahrzehnten die Herausforderung der Wohnungssuche. Je früher man Bescheid weiß, desto wahrscheinlicher ist es etwas zu finden. Vielleicht würden auch weniger Junglehrkräfte Planstellen ausschlagen, wenn es eine höhere Chance auf einen heimatnahen Einsatz gibt.

  • finanzielle Sicherheit: Gehalt von Anfang an, denn wer hat 3 Monate Rücklagen?
  • berufliche Sicherheit: Schul- und Seminarleitung müssen hinter den Lehramtsanwärter*innen stehen, gerade wenn es schwierig wird.
  • Planungssicherheit: Wohnungssuche und Lebensplanung können nicht kurz vor knapp geschehen.
  • Prüfungssicherheit: Bewertungen und deren Zustandekommen müssen transparent, objektiv und fair sein.

Gute Beziehungen als Fundament für einen gelungenen Vorbereitungsdienst:

Der Vorbereitungsdienst (Referendariat) ist eine herausfordernde Zeit. Umso wichtiger ist es, dass angehende Lehrkräfte auf starke soziale Netze und unterstützende Beziehungen zählen können – zu Schüler*innen, Kolleg*innen, der Seminarleitung, Eltern und Mitseminarist*innen.

  • Beziehungen zu Schüler*innen sind der Kern unseres Berufs. Sie müssen auf Vertrauen, Respekt und gegenseitiger Wertschätzung basieren. Doch wie kann man als Junglehrkraft in kurzer Zeit eine authentische und tragfähige Beziehung zu einer Klasse aufbauen? Hier bedarf es nicht nur didaktischer und pädagogischer Fähigkeiten, sondern auch einer wertungsfreien Begleitung, die Feedback gibt, ohne zu bewerten.
  • Seminarleitungen und Schulleitungen stehen in einer Doppelrolle: Sie coachen einerseits, bewerten andererseits aber auch. Diese Doppelfunktion kann das Vertrauensverhältnis belasten. Es braucht deshalb Möglichkeiten, bei Konflikten ohne Konsequenzen die Betreuung durch Seminarleitungen oder Betreuungslehrkräfte zu wechseln, um eine produktive Beziehung sicherzustellen.
  • Beziehungen im Kollegium sollten unterstützend und authentisch sein. Angehende Lehrkräfte profitieren von einem offenen Austausch und ehrlicher Unterstützung – sei es durch Mentoring oder Zusammenarbeit in Unterrichtsprojekten. Dies stärkt die Lehr-Lern-Räume und schafft Raum für Innovation statt Leistungsdruck.
  • Auch die Beziehung zu Mitseminarist*innen darf nicht von Konkurrenzdenken geprägt sein. Gegenseitige Unterstützung bei der Unterrichtsplanung, ehrliches Feedback und Teamarbeit schaffen eine wertvolle Basis, die Isolation vermeidet und den Vorbereitungsdienst erleichtert. Teamwork makes the dream work – auch im Referendariat!
  • Zudem sind stabile Beziehungen zu den Eltern der Schüler*innen unerlässlich. Hierbei muss der Vorbereitungsdienst unterstützen, wie man professionell, respektvoll und klar mit Eltern kommuniziert, um das Beste für die Schüler*innen zu erreichen.

Gute Beziehungen sind nicht nur wünschenswert – sie sind die Grundlage für ein gelungenes Referendariat und eine erfüllte Laufbahn als Lehrkraft.

Gruselgeschichten rund um das „Ref“ sind weitverbreitet und lassen den zweiten Ausbildungsabschnitt in keinem guten Licht dastehen. Es scheint, als würden Wertschätzung und Transparenz in dieser Zeit keine Rolle spielen. Die Wertschätzung unserer Arbeit und eine verständliche Transparenz der bürokratischen Vorgänge vor, während und nach unserer Ausbildungsphase sind jedoch essenziel, um gestärkt und motiviert aus dieser Zeit herausgehen.

Wertschätzende Atmosphäre im Seminar

Während unserer Ausbildung erbringen wir immer wieder Höchstleistungen, bilden uns weiter, und erarbeiten den passenden Unterricht für unsere Schüler*innen. Wertschätzung unserer pädagogischen Arbeit in Form von Unterstützung und Lob durch Seminarleitungen, Schulleitungen und Betreuungslehrkräften steigern dabei die Motivation. (Leistungen, die während der Ausbildung deutlich die Anforderungen übersteigen, sollten auch in finanzieller Hinsicht gewürdigt werden. Zum Beispiel, in dem Erstjährige zusätzlich gehaltene (Vertretungs-)Stunden als Spitzkosten abrechnen können.) Im Seminar kann Wertschätzung auch dadurch stattfinden, dass Themenvorschläge und Wünsche der Seminarist*innen in die Seminarplanung integriert werden. Auch die Möglichkeit sich im Seminar offen austauschen und aussprechen zu können, fördert das wertschätzende Miteinander. 

Wertschätzende und transparente Rückmeldung zu den erbrachten Leistungen 

In die Note des zweiten Staatsexamens zählen nicht nur die benoteten Lehrproben. Auch die schriftliche Hausarbeit, das Kolloquium, die mündlichen Prüfungen sowie ein Gutachten zu den Kompetenzen in den Bereichen Unterrichtskompetenz, Erzieherische Kompetenz, Handlungs- und Sachkompetenz gehören dazu. Hierbei muss darauf geachtet werden, dass diese Leistungserhebungen transparent für uns Seminarist*innen gemacht werden. Ein klarer, festgelegter Bewertungsbogen als Grundlage sollte hierfür unerlässlich sein. So dass Notenzusammensetzung, beurteilte und benotete Kriterien im Seminar, der Hausarbeit und in den Lehrproben bayernweit vergleichbar sind. 

Teil der Ausbildung sollten auch regelmäßige, wertschätzende Gespräche mit Seminarleitung und/oder Schulleitung sein, so dass wir einen transparenten Einblick in unsere Entwicklung während des Refs erhalten. Nur so ergeben sich für uns Möglichkeiten, unsere Fähigkeiten zu verbessern. 

Transparente Vorgehensweise bei der Zuteilung des Schulortes zu Beginn des zweiten Ausbildungsabschnitts und bei Neueinstellung

Große Unsicherheit bringt die Schulort-Zuteilung vor und nach der Ausbildung mit sich, da ein wohnortnaher Einsatz aufgrund der begrenzten Seminarplätze bzw. Planstellen teilweise nicht möglich ist. Verständlicher wäre dieser Umstand allerdings, wenn das Vorgehen und die Begründung für den Einsatzort bei Bekanntgabe transparent wären. Dies würde uns Junglehrkräften auch eine gewisse Wertschätzung spüren lassen, wenn wir alles Menschenmögliche tun, um auch bei kurzfristigen Zuteilungen (teilweise unter zwei Wochen!), pünktlich an der neuen Schule starten zu können.

Transparenz wird zudem auch benötigt, wenn es um die Zeit nach der Ausbildung geht. Viele Seminarist*innen müssen für die Neueinstellung ihren Regierungsbezirk verlassen. Selten wird allerdings darauf eingegangen, dass es auch andere Optionen außer der direkten Neueinstellung gibt. Andere Beschäftigungsformen müssen während der Ausbildung transparent angesprochen werden, um uns Junglehrkräften alle möglichen Wege aufzuzeigen.  

Die Flexibilisierung der Lehrkräftebildung, insbesondere im Referendariat, ist entscheidend, um den Anforderungen einer zunehmend diversifizierten Gesellschaft gerecht zu werden. Traditionelle, starre Strukturen werden den individuellen Bedürfnissen und Kompetenzen der angehenden Lehrkräfte oft nicht gerecht. Daher braucht es:

Vielfalt und Individualität anerkennen: Jeder Mensch bringt unterschiedliche Stärken und Lebensumstände mit. Eine flexible Handhabung, wie etwa die Wahl von Teilzeitmodellen, erleichtert es den Referendarinnen, ihre Kompetenzen optimal einzubringen. Dies gilt insbesondere für familienfreundliche Maßnahmen oder für Referendarinnen, die unverheiratet und kinderlos sind, aber dennoch Wert auf ein ausgewogenes Leben legen.

Pädagogische Freiheit stärken: Flexiblere Prüfungsformate, die Möglichkeit zur Hospitation in verschiedenen Schularten und Offenheit für unterschiedliche Lehrtypen und Unterrichtskonzepte fördern die Kreativität und Innovationskraft der Lehrkräfte. Der Fokus sollte auf der Entwicklung individueller Stärken liegen, nicht auf starren Vorgaben.

Arbeitsbedingungen verbessern: Transparente und flexible Ortszuweisungen, die Möglichkeit eines Sabbatjahres oder Beurlaubungen sowie eine verbesserte Vereinbarkeit von Weiterbildung und Beruf erhöhen die Attraktivität des Lehrberufs. Das Beamtentum sollte als Chance, nicht als Einschränkung wahrgenommen werden.

Digitale und organisatorische Erleichterungen: Ein flexibler Einstieg ins Referendariat oder ins Schuljahr, digitale Lösungen für Schriftwesen und mehr Freistellungen für Projekte, Fortbildungen oder Klassenfahrten schaffen Freiräume für eigenverantwortliches Arbeiten und kreative Entfaltung.

Durch diese Maßnahmen wird nicht nur die Attraktivität des Lehrerberufs gesteigert, sondern auch die Qualität der Ausbildung verbessert, da die Lehrkräfte ihre Potenziale besser ausschöpfen können – zum Wohle von Schüler*innen und Schulen.

Unsere weiteren Grundsätze:

  • Gesundheit
  • Beziehung
  • Wertschätzung & Transparenz
  • Zeit
  • Zukunftsfähigkeit
  • Flexibilisierung
  • Vertrauen
  • Individuelle Entwicklung