Wie gehe ich mit Mobbing um?
Der kleine Junge, der sich in der Pause immer ganz hinten beim Spielplatz versteckt. Das Mädchen, das immer alleine in die Klasse kommt. Eltern, die drohen zur Zeitung zu gehen, weil sie meinen, die Schule hilft ihrem „gemobbten“ Kind nicht schnell genug. Wie junge Lehrkräfte mit solchen Situationen am besten umgehen, erklärt Schulpsychologin und BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann.
Mobbing ist nicht gleich Mobbing
Unter Mobbing verstehen wir eigentlich schwerste, fast schon kriminelle Taten, die darauf zielen, Kolleg*innen aus dem Beruf zu „kicken“. Lehrkräfte sollten deshalb vorsichtig mit dem Begriff umgehen und auch ihre Schüler*innen dafür sensibilisieren, wenn das Wort in der Klasse fällt.
Erste Reaktion
Kommt der Vorwurf des „Mobbings“ auf, ist es wichtig sich erstens Zeit zu nehmen und zweitens nachzufragen: Was passiert genau? Dazu ist es unbedingt notwendig, alle Seiten zu hören:
- die der Eltern, die Angst um ihr Kind haben
- die des „Mobbingopfers“
- und die der „Täter“
Oft handelt es sich um scheinbar harmlose Situationen: Ein Junge beklagt sich, dass in der Pause niemand mit ihm spielt. Ein Mädchen beschwert sich, die anderen würden sie in der Gruppenarbeit immer nur anspruchslose Arbeit machen lassen. Trotzdem ist es wichtig, die Sorgen von Kindern und Eltern immer ernst zu nehmen. Kinder können unter Erlebnissen, die uns harmlos erscheinen, extrem leiden.
Was tun in Extremfällen?
Wie reagieren, wenn sich eine Gruppe von Kindern immer gegen den gleichen zusammentun, ihn bei jeder Gelegenheit aufziehen, ihm auflauern, wenn er versucht, sich zurückzuziehen und dann sogar handgreiflich werden? Es ist nichts falsch daran bei wirklichen Gewalttaten auch autoritär zu reagieren. Oft handelt es sich um wahrnehmungsgestörte Kinder, die nicht wissen, wo ihre Grenzen sind. Es ist wichtig für sie, zu spüren, jemanden weh getan zu haben und dafür auch die Konsequenzen zu ziehen. Dabei muss immer unterschieden werden zwischen der disziplinarischen Maßnahme, etwa bei Gewaltanwendung auch die Polizei zu rufen und der pädagogischen Aufarbeitung.
Oft ist es sinnvoll, sich Hilfe zu holen - bei der Schulpsychologin oder dem Sozialpädagogen. In so einem „Coaching“ ist es wichtig, alle Beteiligten an einen Tisch zu bringen und die gemeinsame Vergangenheit zusammen aufzuarbeiten.
Wie spreche ich mit den Eltern?
Eltern, die das Gefühl haben, ihr Kind wird „gemobbt“ fühlen sich oft hilflos. Sie wollen ihrem Kind sofort helfen und handeln deshalb manchmal unüberlegt. Lehrkräfte werden beschimpft, der Schulleitung gedroht die Medien einzuschalten.
Damit die Situation nicht eskaliert, ist es wichtig, sich sofort viel Zeit zu nehmen, um mit den Eltern zu sprechen. Passiert dies nicht, kommt es vor, dass der „Aufruhr“ die ganze Schulstimmung vermiest. Es ist sinnvoll, die Situation in der Klasse genau zu beobachten, sich detaillierte Notizen zu machen und diese dann den Eltern vorzulesen. Dadurch bekommen sie einen besseren Einblick in die Situation und können eventuelle Vorurteile relativieren.
Was kann ich tun, damit es gar nicht erst zu „Mobbing“ kommt?
Um einen guten Einblick zu bekommen, wie die einzelnen Schüler*innen zueinander stehen gibt es die Technik des Soziogramms. Dabei werden Schüler und Schülerinnen befragt, mit wem sie gerne befreundet wären oder wen sie zu ihrem Geburtstag einladen würden. Oft gibt es zwei, drei Kinder, die von niemanden erwähnt werden, aber auch selbst niemanden zum Freund haben wollen. Je früher solche „Täter-Opfer-Strukturen“ erkannt werden, desto eher kann eine Lehrkraft gegensteuern. Ein Mittel ist es, Gruppen bewusst zusammen zu setzen. Manchmal stabilisieren sich zwei von den schwächeren Kindern, manchmal bieten sie im „Doppelpack“ aber auch eine größere Angriffsfläche. Das muss jede Lehrkraft für sich selbst herausfinden.